In der Sprache seiner Zeit, die Theologie, Naturwissenschaften, Alchemie und Philosophie noch nicht scharf trennte, wurde Isaac Newton (1642-1726) als Philosoph bezeichnet.
So mathematisch talentiert und wissenschaftlich orientiert Newton einerseits war, war er nicht befreit von Irrtum und fixiert auf metaphysischer Themen. Er zeigte hohes Interesse an z.B. alchemistischem Geheimwissen oder biblischen Berichterstattungen bis hin zu in der Bibel versteckten Geheimbotschaften.
Neben seinen Erfolgen in Physik und Mathematik verbrachte Newton als der "letzte grosse Renaissance-Magier“ 30 Jahre lang ohne Unterbruch und ergebnislos mit dem Studium von Alchemie. In seinem Nachlass wurde ein umfangreiches Material gefunden, u.a. ein handschriftlicher alchemistischer Index mit 100 Autoren, 150 Schriften, 900 Stichworten und 5000 Seitenverweisen. Newton beschäftigte sich z.B. mit dem mythischen Stein der Weisen, um unedle Metalle in Silber und Gold zu verwandeln.
Intensiv beschäftigte sich Newton auch mit der christlichen Religion. So untersuchte er z.B. das Ergebnis der 1644 durch den Pfarrer John Lightfoot erstellten und 1650 von Bischof James Usher bestätigten Berechnung des Schöpfungsdatums der Erde und des Menschen:"Der Mensch wurde von der Dreifaltigkeit erschaffen am 23. Oktober 4004 v. Chr. um neun Uhr am Morgen.“
Newton versuchte biblische und astronomische Daten in Übereinstimmung zu bringen und korrigierte dieses Ergebnis um 534 Jahre: Gott schuf die Erde und den Menschen im Jahr 3470 v. u.Z.
Auch Newtons Naturphilosophie (Physik) entstand im Zusammenhang mit Religion, konkret mit einer theologischen Kritik. Er verurteilte das Dogma der göttlichen Dreifaltigkeit, sah darin nicht nur einen Widerspruch (1=3 und 3=1?), die er u.a. mittels physikalischen Analogien nachzuweisen versuchte, sondern sogar eine Ursache für eine Verdorbenheit (corruption) der christlichen Lehre, der kurz danach die allgemeine Verdorbenheit des Christentums gefolgt sei.
Newton war Unitarier. Erst vor dem Hintergrund seiner Auffassung, dass Gott nicht dreifaltig ist, sondern als Einheit die ganze Welt von innen und von außen erfasst und umfasst, konnte Newton anscheinend seine Vorstellung davon bilden, dass Raum und Zeit das Sensorium Gottes sei, durch das er zu allen Zeiten und an allen Orten zugleich wirksam ist. In ursprünglichen biblischen Texten suchte Newton analog zu wissenschaftlichen Gesetzmässigkeiten verborgene Codes oder Schlüssel, die zu Weisheit und Wahrheit führen und hinterliess auch hier einen umfangreichen Nachlass.
Gleichzeitig war Newton sehr vorsichtig und veröffentlichte nur Ergebnisse, bei denen er mit hoher Wahrscheinlichkeit von Korrektheit und allgemeiner Anerkennung ausgehen konnte.
Mit dem Inhalt und der Methodik seines wissenschaftlichen Hauptwerks Philosophiae Naturalis Principia Mathematica schuf Newton 1686 nicht nur die Basis für die klassische Mechanik, sondern leitete er auch die endgültige Trennung von Religion und Wissenschaft ein: je länger desto weniger bedurfte es einer aktiv in die physikalischen Prozesse und menschlichen Schicksale eingreifenden Gottheit (siehe auch Kant-Laplace-Theorie um 1755 / 1796).
Licht als Teilchen vs. Licht in Form von Wellen
Hunderttausende von Jahren hatte die Menschheit seit der Entwicklung von Gedanken (Worten, Sätzen und Zahlen) gebraucht, um von religiösen zu ersten realen und nachweisbaren Erklärungsansätzen für die Naturereignisse zu gelangen.
Dank Newtons Gravitationsformel wurde z.B. der Planet Neptun entdeckt: bei Uranus beobachteten Bahnstörungen mussten eine gravitative Ursache haben. Gefunden wurde Neptuns Position mit entsprechenden mathematischen Berechnungen.
Spätestens seit Newton hat sich die Erforschung der Physik von der Religion losgelöst. Religiöse Schriften oder Argumente hatten ihre scheinbare Beweiskraft verloren.
Dadurch öffnete sich allerdings eine Erklärungslücke, denn vieles vom Entdeckten war nicht lückenlos erklärbar.
Die ersten beiden Keplerschen Gesetze und die drei Newtonschen Bewegungsgesetze scheinen nachvollziehbar.
1. Ein kräftefreier Körper bleibt in Ruhe oder bewegt sich geradlinig mit konstanter Geschwindigkeit
2. Kraft = Masse mal Beschleunigung (F = m • a)
3. Kraft = Gegenkraft: Eine Kraft von Körper A auf Körper B geht immer mit einer gleich grossen, aber entgegen gerichteten Kraft von Körper B auf Körper A einher FA B = - FBA
Newtons Bewegungsgesetze
Hingegen: Was bedeutet Keplers drittes Gesetz, die potenzierte Distanz- und Zeitproportionalität der Bewegungen der Himmelskörper? Was bedeutet, dass die Umlaufzeit im Quadrat und die Halbachse hoch drei bei allen Planeten proportional sind?
Was ist Umlaufzeit hoch zwei, was ist also bezogen auf die Erde demnach ein Jahr hoch zwei ?
Falls sich die Umlaufzeit im Quadrat (= 1 Jahr2) und a3 in einer Proportionalität wiederfinden, dann befindet sich ein Erdenjahr in einer Proportionalität mit
Und was bedeutet in Newtons Gravitationsgesetz Masse im Quadrat?
Was bedeutet "Quadratkilogramm geteilt durch Fläche"?
Johannes Kepler hatte sich noch bei Gott für die "mathematische Harmonie im Weltall" bedankt.
Galileo Galilei, Isaac Newton und ihre Nachfolger entwickelten sich von abergläubisch geprägten Forschern zu immer reineren Wissenschaftlern. Sie standen vor der Aufgabe, ihre Findungen sachlich zu begründen.
Die gefundenen sowie weitere, später entdeckte mathematische Proportionalitäten ("mathematische Prinzipien", siehe den Namen von Newtons Werk) waren zwar nachprüfbar, aber materiell und mechanisch nicht lückenlos begründbar.
In der Regel fand man sich letztlich damit ab (in vielen Bereichen bis heute) und nannte die Proportionalitäten "Naturgesetze".
Parallel zur Spaltung von Religion und Wissenschaft entstand eine Trennung zwischen Wissenschaftlern und normalen Bürgern: was die Wissenschaftler herausfanden, schien zwar mathematisch prüfbar zu stimmen. Für normal gebildete Menschen war diese Physik in zweierlei Hinsicht nicht nachvollziehbar:
Das Bild von Göttern oder einer Gottheit, die Blitze schleudert, Regen bringt, die Ernte gelingen lässt und sowohl Planetenbahnen als auch Schicksale leitet, war vergleichsweise vorstellbarer als die sich durchsetzenden, auf Mathematik basierenden Naturgesetze.
So gefangen Isaac Newton in religiösem und alchemistischem Denken auch war, unterschied er dennoch zwischen sicherem, nachweislichem Wissen und unsicheren Vermutungen: er war sich seines unsicheren Wissens bewusst und bekannte sich dazu. Er verzichtete darauf, willkürlich Hypothesen zu erfinden und öffentlich zu verbreiten ("Hypotheses non fingo"):
Eine klare Unterscheidung zwischen Wissen und bekennendem Nichtwissen entspricht der durch Sokrates eingeführten Ansicht/Methode: präzise und ganzheitlich durchdenken, überprüfen und allfällige Unsicherheiten bekennen. In der präzisen Wissenschaft wurde dies nun fortlaufend und weitläufig zu einer Selbstverständlichkeit.
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